EU-ParlamentFremdeln mit der Parteienfamilie: Die CSV hat ihr Europawahlprogramm vorgestellt

EU-Parlament / Fremdeln mit der Parteienfamilie: Die CSV hat ihr Europawahlprogramm vorgestellt
Die CSV-Kandidaten für die Europawahlen am Dienstag während der Präsentation des Wahlprogramms: (v.l.) Guy Breden, Martine Kemp, Christophe Hansen, Isabel Wiseler-Lima und Metty Steinmetz. Mélanie Grün war nicht anwesend. Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Zwölf Punkte umfasst das Europawahlprogramm, das die CSV-Kandidaten am Dienstag in Luxemburg präsentierten. Es ist ein programmatisches Bekenntnis zur Europäischen Union, Überraschungen enthält es keine. Interessant ist eher, was nicht im Papier steht.

Die letzten Europawahlen 2019 liefen schlecht für die luxemburgischen Christsozialen. Ganze 16,55 Prozentpunkte verlor die CSV 2019 beim Urnengang. Damit ging auch der 15 Jahre zuvor gewonnene dritte Sitz in Straßburg verloren. Eine Prognose dazu, ob der dritte Sitz wiedergewonnen werde, wagte der Ko-Spitzenkandidat Christophe Hansen nicht. Er meinte aber, die CSV würde „schwer“ daran arbeiten, ein besseres Resultat als 2019 zu erreichen.

Inwieweit dazu das Wahlprogramm beitragen kann, ist schwer auszumachen. Denn vor allem bei Europawahlen ist dieses weniger eine Arbeitsvorlage für künftiges Regieren, sondern dient vielmehr der Positionierung im gesamteuropäischen politischen Ideenwettstreit. Nicht wenige Themen aus dem Programm werden bereits seit Jahren diskutiert. Wie die von Christophe Hansen vorgetragene Forderung, außenpolitische Entscheidungen nicht mehr per Einstimmigkeit, sondern per Mehrheitsentschluss zu treffen. Mit dem Krieg in der Ukraine und der damit einhergehenden Fokussierung auf verteidigungspolitische Fragen gehen das Verlangen nach einem Ausbau der europäischen Verteidigungsunion sowie die Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie einher. Zudem soll der EU-Außenbeauftragte zu einem EU-Außenminister aufgewertet werden und die EU sollte einen eigenen Verteidigungskommissar erhalten, so Hansen weiter.

Auf die jüngsten Bauernproteste in vielen EU-Staaten hat Brüssel bereits mit der Aussetzung einiger Regeln reagiert. Doch die CSV wünscht sich weitere Maßnahmen. Insgesamt sollten die administrativen Hürden für die Landwirte um 25 Prozent gesenkt werden und EU-Subventionen vielmehr Familienbetrieben als agroindustriellen Akteuren zugutekommen, sagt Metty Steinmetz. Allgemein sollte in der Wirtschaft ein 25-prozentiger Bürokratieabbau anvisiert werden, so der CSV-Kandidat. Die gegenwärtige EVP-Abgeordnete im EU-Parlament, Martine Kemp, wiederum will das europäische Sozialmodell und die Mittelschicht stärken. Letztere sollte dazu mehr entlastet werden. In die Cybersicherheit müsse mehr investiert werden und die EU sollte eine strategische Führungsrolle in Sachen künstliche Intelligenz übernehmen, meint die EU-Parlamentarierin. „Die CSV unterstützt die Gesamtvision des Green Deal“, so der Europawahl-Kandidat Guy Breden und schiebt hinterher, dass beim Klimaschutz die Bürger eingebunden werden müssten. Allerdings setzte gerade die EVP-Fraktion immer wieder einiges daran, Teile des Green Deal im EU-Parlament auszubremsen, wie etwa beim umstrittenen Renaturierungsgesetz.

„Die ADR hat sich radikalisiert“

Isabel Wiseler sorgt sich um die Rechtsstaatlichkeit und den Demokratieabbau in der EU, gegen den „wir uns ganz stark wehren müssen“. „Wir sind eine Wertegemeinschaft“, betont die EP-Abgeordnete, die „Bündnisse immer in der Mitte suchen“ werde. Es sei „bedenklich“, wenn Rechtsextreme und -populisten im EP gestärkt würden. Demnach schließt Isabel Wiseler jede Zusammenarbeit mit der Fraktion „Identität und Demokratie“ im EP aus, die sie als „rechtsextrem“ bezeichnet. Zu „ganz großen Teilen“ sei auch die Fraktion „Europäische Konservative und Reformer“ (EKR) rechtsextrem, deren Europa-Partei auch die luxemburgische ADR angehört. Diese sei „noch nicht in allen Punkten auf rechtsextremen Positionen angekommen“, meint Christophe Hansen. Allerdings: „Wir sehen, dass die ADR sich radikalisiert hat“, fügt Isabel Wiseler an.

Doch hat Manfred Weber, der Fraktionsvorsitzende der EVP (Europäische Volkspartei), der die CSV angehört, eine Annäherung an die EKR gesucht. Bei der vormals von der polnischen PiS geführten EKR gibt mittlerweile die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni mit ihren Fratelli d’Italia den Ton an. Doch auch mit diesen will Isabel Wiseler nichts zu tun haben. Meloni jedoch ist eine dezidierte Befürworterin jeder Hilfe für die Ukraine und hat auch sonst eine gemäßigte Linie auf EU-Ebene eingeschlagen. Andererseits hat sie Medienberichten zufolge dem ungarischen Premierminister Viktor Orban und dessen Fidesz eine neue politische Heimat in der EKR angeboten. Allerdings erst nach den Europawahlen.

Fundamentaler Wandel der Asylgesetzgebung

Doch auch bei der Asyl- und Migrationspolitik fremdelt die CSV mit ihrer europäischen Parteienfamilie. Das erst vergangene Woche im EP verabschiedete Gesetzespaket zur gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik haben die beiden luxemburgischen EVP-Politikerinnen und ihre Fraktion mitgetragen. Dieses sei wichtig, um weiterzukommen, findet Isabel Wiseler. „Wir müssen starke Grenzen, aber offene Türen haben“, resümiert die EP-Abgeordnete ihre Position. „Wir sind jedoch absolut gegen ein Ruanda-Modell“, betont sie. Dieses bislang vor allem von Großbritannien angestrebte Vorhaben, Asylsuchende nach Ruanda zu deportieren, wo sie ein entsprechendes Verfahren durchlaufen würden, lehnen die beiden CSV-Spitzenkandidaten nicht zuletzt wegen dessen Unvereinbarkeit mit der Europäischen Menschenrechtskonvention ab. Im CSV-Wahlprogramm steht zu dieser entschiedenen Haltung allerdings nichts.

Die EVP hat jedoch im März bei ihrem Europawahlkongress in Bukarest ein Manifest verabschiedet, in dem ein „fundamentaler Wandel“ in der europäischen Asylgesetzgebung befürwortet wird. „Jeder, der in der EU Asyl beantragt, könnte auch in einen sicheren Drittstaat überstellt werden und sich dort dem Asylverfahren unterziehen“, heißt es im EVP-Manifest. Bei einem positiven Bescheid könnten die Antragsteller dann auch gleich in diesem Land bleiben. Die CSV habe aus diesem Grund das Manifest nicht mitgetragen, sagt Christophe Hansen. Und verweist darauf, dass sich die EU-Staaten noch längst nicht einig darüber seien, welche Staaten als sicher erachtet werden können.